50 Jahre Mieterschutz - Fluch oder Segen?
Die letzten 50 Jahre waren wohnungspolitisch geprägt durch ein Auf und Ab bei den Wohnbauzahlen, sowohl bundesweit als auch in Ballungsgebieten wie München - und einem Hin und Her beim Mieterschutz. Wohnungsbau ist von zahlreichen Faktoren abhängig; ein Zusammenhang mit dem Mieterschutz wird dennoch deutlich.
01.01.1975: Das 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetz wird als Dauerrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übernommen. Bis dahin waren Mieter nach Aufhebung der nachkriegsbedingten Wohnungszwangswirtschaft Ende der 60er Jahre nicht vor Kündigungen und Mieterhöhungen geschützt. Vermieter konnten Mieterhöhungen im Wege der Änderungskündigung, d.h. durch Kündigung und Angebot eines neuen Mietvertrages mit höherer Miete durchsetzen - wie heute noch bei Geschäftsräumen. Dies wurde durch die Neuregelung untersagt. Im Gegenzug erhielten Vermieter einen Anspruch auf Zustimmung des Mieters zur Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Im Vergleich zur aktuellen Rechtslage waren die damaligen Einschnitte für Vermieter relativ harmlos (Mieterhöhungen waren mit 3 Vergleichsmieten möglich, keine verbindlichen Mietspiegel, Kappungsgrenze 30%, keine Mietpreisbremse etc.).
Drastischer Einbruch beim Wohnungsbau
Trotzdem hatte das Gesetz einen massiven Rückgang der Wohnbautätigkeit zur Folge. Von bundesweit 604.000 Wohnungen (1974) auf 347.000 (1982). Auch in München stürzten die Wohnungsbauzahlen ab - von insgesamt 37.981 (in den 3 Jahren 1972, 1973, 1974 - durchschnittlich 12.660 Wohnungen/Jahr) auf 17.325 (in den Jahren 1975, 1976, 1977 - durchschnittlich 5.775 Wohnungen/Jahr nach Inkrafttreten des Mieterschutzes). Die Reaktion der damaligen Bundesregierung: Lockerung des Mieterschutzes - 1982 durch das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen, 1990 durch das Wohnbauerleichterungsgesetz und 1993 durch das 4. Mietrechtsänderungsgesetz u.a. Einführung von Staffelmieten, Erleichterungen bei Modernisierungen etc.
Der Wohnungsbau erholt sich
Die Folge: Die Wohnbauzahlen stiegen wieder auf das Niveau von 1974 (602.000). Auch in München erholte sich der Wohnungsbau. Die Fertigstellungen stiegen wieder auf bis zu 8.000 Wohnungen pro Jahr Anfang der 90er Jahre.
Dann: Mietrechtsreform 2001 mit erheblichen Einschränkungen der Vermieterrechte u.a. ungleiche Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter, Mieterhöhungen nur noch mit - häufig politisch gesteuerten – Mietspiegeln, Wegfall der Umlage von Kapitalkostenerhöhungen.
Wieder sinkende Zahlen
Seitdem kontinuierliches Absinken der Wohnbauzahlen auf 295.000 (2022) mit Prognose 2025: 205.000. Auch in München dümpelt der Wohnungsbau seitdem bei 5.000 bis 6.000 Wohnungen/Jahr. Notwendig wären aufgrund von Zuwanderung und immer noch ansteigender Pro-Kopf-Wohnfläche ca. 12.000 neue Wohnungen pro Jahr. 7.000 aufgrund Zuwanderung zzgl. 5.000 aufgrund des steigenden Wohnflächenverbrauchs.
Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf hat sich in München in den letzten 50 Jahren von ca. 20 auf 40 m² verdoppelt und nimmt weiterhin um ca. 0,25 m² pro Kopf und Jahr zu. Daher müssten in München - allein um die Steigerung der durchschnittlichen Wohnfläche pro Kopf auszugleichen - jährlich über 5.000 Wohnungen gebaut werden (1,5 Millionen Einwohner x 0,25 m² = 375.000 m² Wohnfläche = 5.350 Wohnungen á 70 m²).
Und: Die Bevölkerungsprognose der Stadt (Demografiebericht München) rechnet in den nächsten 16 Jahren bis 2040 mit einer Zunahme der Einwohnerzahl um ca. 200.000 auf 1,81 Mio., d.h. pro Jahr mit einer Zunahme von durchschnittlich 12.500 Einwohnern. Dies entspricht einem zusätzlichen Bedarf von 7.000 neuen Wohnungen pro Jahr.
Nichtsdestotrotz: Mieterverbände und zahlreiche Politiker fordern weitere Verschärfungen u.a. Verlängerung der Mietpreisbremse im neuen Koalitionsvertrag, Stadt München fordert Aufnahme von Sozialmieten in den Mietspiegel usw. Immer mehr Investoren zeigen da den Stinkefinger - wie immer verpackt in druckreife Worte: „Ungünstige Rahmenbedingungen“. Fazit: Leider hat man aus der Geschichte nichts gelernt. Überzogener Mieterschutz kann ein Segen sein für den, der eine Wohnung hat; ein Fluch aber für alle, die eine Wohnung suchen - und das kann jeden Mieter irgendwann treffen.
Rechtsanwalt Rudolf Stürzer
Vorsitzender HAUS + GRUND MÜNCHEN
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ISBN: | 978-3-648-08303-1 |
Auflage: | 1. Auflage 2017 |
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Einband: | Broschur |
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